Amadeu Antonio Stiftung will die Meinung verbieten, sie in die Nähe von Meinungsverboten zu stellen
Johannes Normann ist einer der führenden Blogger der AfD im Netz. Normann und die von ihm betreuten Seiten wurden unter andererem beim ZDF („Manipuliert“ mit Sascha Lobo) und in der ARD (Doku „Wahlkampf im Netz“) vorgestellt. In den letzten Jahren hat er immer stärker mit Zensur zu kämpfen, regelmäßig werden seine Accounts für 30 Tage gesperrt. Normann hat aktuell auf seiner privaten Facebookseite ca. 15.000 Abonnenten, daneben verwaltet er Politikseiten mit einer wöchentlichen Beitragsreichweite von teilweise über 1,6 Millionen Personen. Er bemängelt unter anderem die Zensurmaßnahmen durch die sozialen Medien im Zuge des Netzwerkdurchsetzungsgesetz des Justizministeriums unter der Federführung von Heiko Maas. Normann war auch einer der ersten, der bereits 2017 die Amadeu Antonio Stiftung in die Nähe des Netz DG stellte.
Am 7.09.2017 schrieb Normann:
„Und immer mehr wird diese Redefreiheit auf „Zensurbook“ genommen. Nach den Filmaufnahmen für die ARD „Doku“ „Wahlen im Netz“ und kurz vor den Wahlen wurden die Accounts Johannes Normann und Hannes Normann für 30 Tage gesperrt. Diese Seite kann nur noch mit Admins aus freien Ländern (Schweiz, Island) aufrechterhalten werden, denn dort hat die Zensur von Heiko Maas und der „tollen“ Amadeu Antonio Stiftung keinen Zugriff.“
Eine beinahe tägliche Stellungnahme, ohne Beleidigungen und Hass, aber mit Biss und Kritik an der Facebookzensur. Das sah die AAS und ihr Anwalt Christian Löffelmacher anders und schickte Normann ein Unterlassungsbegehren mit dem Wunsch nach Kenntnisnahme und Unterschrift. Die Behauptung Normanns sei „unwahr“.
Auch betont die AAS – zu Recht –, dass sie nichts mit der 30-tägigen Sperre von Normann zu tun habe. Normann unterschrieb die Unterlassungsaufforderung zwar nicht und wies das Ansinnen der AAS zurück, modifizierte allerdings seinen Facebook-Post.
Wie steht die AAS tatsächlich zum NetzDG aus dem Jahr 2017? Anetta Kahanes Stiftung kritisiert das Vorgehen Maas‘ und des NetzDG scharf und hat sich mehrfach gegen das neue „Zensurgesetz“ gewandt. Hat Normann mit seiner Unterstellung also Unrecht?
Nicht ganz. Im Februar 2018 schrieb die AAS, dass diese Externalisierung der Löschung durch Unternehmen höchst fragwürdig sei: „Die Privatisierung der Rechtsdurchsetzung unter Androhung von Bußgeldern führt zu vorschnellem Löschen von Beiträgen und gefährdet damit eine digitale Debattenkultur. Die Vorgabe extrem kurzer Bearbeitungszeiten verhindert eine adäquate Prüfung der Inhalte und öffnet dem Missbrauch von Beschwerden Tür und Tor.“
Soweit die berechtigte Kritik der AAS an Heiko Maas‘ NetzDG. Interessant wird es allerdings im nächsten Absatz: „Da sich abzeichnet, dass das NetzDG durch die derzeitigen Koalitionsparteien nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird, appelliert die Amadeu Antonio Stiftung an die Verhandlungsparteien, bei der praktischen Umsetzung nachzuarbeiten.“
Warum fordert die AAS das Gesetz „nachzuarbeiten“? Warum nicht das fragwürdige Zensurgesetz abschaffen? Tatsächlich hat die AAS ein eher geringes Problem mit der generellen Anwendung von staatlichen Zensurmaßnahmen, denn mit der unkontrollierbaren privaten Umsetzung. Wer soll nach Aussage der AAS über die Meldung, Löschung und Ahndung von „Hass“ entscheiden? Richtig, der Staat! „Daher sollten die Netzwerkbetreiber*innen die Möglichkeit erhalten, Zweifelsfälle an rechtsstaatlich zuständige Stellen zu übergeben, ohne dass dabei ein Bußgeld wegen verzögerter Bearbeitung von Meldungen droht. Dazu braucht es mehr fachlich ausgebildetes Personal bei Polizei, Gerichten und Staatsanwaltschaften und eine verbesserte Zusammenarbeit aller staatlicher Stellen auf Bund-, Länder- und Kommunalebene.“ Quelle: Stellungnahme der AAS
Natürlich ist die AAS nicht für das NetzDG verantwortlich, interessanterweise liegen die Forderungen der AAS allerdings näher an der staatlichen Zensur, als die aktuelle Umsetzung durch Heiko Maas. Bereits im April 2017 schreibt die AAS über den Gesetzesentwurf: „Die Amadeu Antonio Stiftung begrüßte zunächst das Engagement der Bundesregierung, sich mit dem Problem der strafbaren Hassrede im Netz zu engagieren, stellen doch Kommunikationsinhalte, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, sexuellen Orientierung, körperlichen Einschränkungen oder Religion angreifen oder entsprechende Inhalte fördern, rechtfertigen oder dazu anstiften (Hate Speech) ein zunehmendes Problem in sozialen Netzwerken dar.“
Dass die AAS mit der jetzigen Entwicklung der privaten Zensur unzufrieden ist, ist ein klarer Fall von linker „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“-Manier. Die AAS zählt zu den zivilgesellschaftlichen Wegbereitern der neuen Internetzensur gegen „Hass“, die sich anschließend darüber wundern, wie die Politik ihr Anliegen umgesetzt hat. Klar ist: Die AAS wollte bereits zwei Jahre vor dem NetzDG „Hass“ verbieten.
Johannes Normann hat mit seinem Posting also in der Sache Recht, selbst wenn er sich ungenau ausdrückt. Was dieser Vorfall allerdings deutlich zeigt, ist, mit welchen Bandagen die AAS gegen ihre Gegner im Netz vorgeht. Nur weil man Kahanes Stiftung in die Nähe der Zensur stellt, greift sie unliebsame und vollkommen harmlose Meinungen mit ihrem hauseigenen Rechtsanwalt an und versucht die Aussage zu „quasizensieren“. Norman ist nicht der Einzige. Die AAS geht mit ihrem Anwalt wiederholt gegen unliebsame Meinungen vor und fordert Unterlassung. Im März 2019 traf es den Neuköllner Jugendstadtrat Falko Liecke. Er hatte vor der Verwendung der umstrittenen Kita-Broschüre der AAS „Ene, mene, muh – und raus bist Du“ gewarnt, bei dem „völkische Klischees“ (Cicero) bedient wurden. Die AAS forderte „Unterlassung“, verlor aber vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Liecke darf weiterhin – in seiner Funktion als staatlicher Amtsträger – von der Broschüre abraten.
Auch gegen das „Compact Magazin“ klagte die AAS – dieses Mal erfolgreich – auf Unterlassung. Jürgen Elsässers Magazin hatte behauptet, die AAS habe „hunderte Blockwarte“ zur Zensur angeheuert. Nachweislich eine Falschbehauptung und „Compact“ musste schließlich einlenken.
Dass es auch in die andere Richtung geht, zeigte der deutschlandweit bekannt Musiker Xavier Naidoo. Nachdem die AAS behauptete, Naidoo sei ein Antisemit, verklagte der Sänger kurzerhand die Amadeu Antonio Stiftung – und bekam Recht. Naidoos Aussagen und Texte lassen keinen Rückschluss auf antisemitische Positionen zu.
Am 21. August berichtet der Youtuber Tim Kellner über ein Unterlassungsbegehren von Seiten der Amadeu Antonio Stiftung gegen ihn. Kellner wird die Unterlassungserklärung ebenfalls nicht unterzeichnen und ist bereit den Streit vor Gericht auszutragen. Über den Inhalt des Begehrens hat Kellner nichts bekanntgegeben.
So steht eine ganze Reiher Oppositioneller im Fadenkreuz der Amadeu Antonio Stiftung, die anstatt mit Argumenten zu punkten, auf ihren Rechtsbeistand und natürlich auch auf das Unwissen der Leute setzt, die, um Problemen aus dem Weg zu gehen, kurzerhand unterschreiben. Ein System, das mittlerweile in Mode gekommen ist und die Zensur durch das Netz DG mit juristischen Geschützen flankiert.